In seinem 2020 erschienenen Werk „Weihnachten“ beleuchtet der Kulturhistoriker Karl-Heinz Göttert die wechselvolle Geschichte eines Festes, das heute weltweit die Gemüter bewegt. Als renommierter Experte für ältere Sprache und Literatur dekonstruiert Göttert die vermeintlichen Gewissheiten rund um den 24. Dezember und zeigt auf, wie Weihnachten erst Jahrhunderte nach den biblischen Ereignissen „erfunden“ wurde. Die soziale Relevanz des Buches liegt in der Erkenntnis, dass Weihnachten als „kulturelle Ressource“ weit über den christlichen Glauben hinausreicht und auch in einer säkularen Welt als Anker für Identität und Werte wie Liebe und Frieden fungiert.
3 zentrale Erkenntnisse aus dem Buch
Späte Erfindung und theologische Krisen: Weihnachten als Fest am 25. Dezember entstand erst rund 400 Jahre nach den Ereignissen im Neuen Testament. Es diente ursprünglich dazu, die göttlich-menschliche Natur Christi gegen „Irrlehren“ zu verteidigen und den Glauben historisch zu untermauern.
Mythologische Konstruktion statt Tatsachenbericht: Die Geburtsgeschichten von Lukas und Matthäus sind keine historischen Protokolle, sondern „Beglaubigungserzählungen“, die widersprüchlich sind und bewusst mythologische Elemente einsetzen, um die Bedeutung Jesu als Erlöser hervorzuheben.
Erfolg durch Säkularisierung: Paradoxerweise stieg Weihnachten in dem Maße zum „Fest der Feste“ auf, in dem es seinen rein theologischen Inhalt verlor und sich zum bürgerlichen Familien- und Schenkfest wandelte.
Für wen ist das Buch besonders interessant?
Kulturhistorisch Interessierte: Personen, die verstehen möchten, wie Bräuche wie der Weihnachtsbaum oder die Krippe tatsächlich entstanden sind.
Kritische Gläubige und Zweifler: Leser, die eine fundierte historische Analyse jenseits von Dogmen suchen, ohne dabei den Respekt vor der Tradition zu verlieren.
Liebhaber von Brauchtum und Folklore: Menschen, die sich für die Entwicklung von Figuren wie Nikolaus und Santa Claus begeistern können.
Was Du aus dem Buch mitnehmen kannst
Der Ursprung im Widerspruch: Eine Geschichte der Konstruktion
Das Buch führt vor Augen, dass die uns so vertraute Weihnachtsgeschichte eine literarische Meisterleistung ist, die auf widersprüchlichen Quellen beruht. Während Lukas die Hirten im Stall fokussiert, erzählt Matthäus von den Magiern und dem Kindermord des Herodes – Szenarien, die historisch kaum vereinbar sind, aber als „Großerzählungen“ der europäischen Kultur tief eingeschrieben wurden. Göttert macht deutlich, dass die frühen Evangelisten Historisches mit Mythologischem mischten, um eine Wahrheit zu transportieren, die über reine Fakten hinausgeht.
Zwischen Liturgie und Brauchtum: Die Macht der Symbole
In der Vertiefung wird gezeigt, wie sich das Fest im Mittelalter durch prächtige Liturgien und spielerische Elemente wie das Kinderbischofsfest festigte. Besonders spannend ist der konfessionelle Wettbewerb: Während die Jesuiten die Krippe als Instrument der Gegenreformation nutzten, wurde der Weihnachtsbaum ursprünglich zu einer protestantischen Alternative. Erst im 19. Jahrhundert verschmolzen diese Traditionen zum heute bekannten bürgerlichen Idyll, das durch die Musik – insbesondere Lieder wie „Stille Nacht“ – eine emotionale Tiefe erhielt, die Generationen prägte.
Die Erfindung des Weihnachtsmanns und die Zukunft des Festes
Abschließend zeigt Göttert auf, wie das moderne Weihnachten durch den Kommerz und die Figur des Santa Claus globalisiert wurde. Die Verwandlung des heiligen Nikolaus in einen religionsfreien Gabenbringer durch amerikanische Einflüsse (Moore, Nast, Coca-Cola) markiert den endgültigen Sieg des Schenkfestes über das Sakrament. Trotz fortschreitender Säkularisierung bleibt Weihnachten jedoch eine unverzichtbare Ressource, da es als „Lernprozess“ der westlichen Kultur Ideale wie Gerechtigkeit und Gemeinschaft lebendig hält.
Das Buch in einem Satz
Eine brillante kulturgeschichtliche Untersuchung, die aufzeigt, wie aus einem spät erfundenen theologischen Dogma durch stetigen Wandel, Folklore und Kommerz das bedeutendste Identitätsfest der westlichen Welt wurde.
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