Yuval Noah Hararis Sapiens: Eine kurze Geschichte der Menschheit wurde 2014 in englischer Sprache veröffentlicht und bietet eine umfassende Darstellung des Aufstiegs unserer Spezies von einem unbedeutenden Tier zu gottgleichen Wesen. Das Buch strukturiert die menschliche Geschichte anhand dreier großer Revolutionen – der Kognitiven, der Agrarischen und der Wissenschaftlichen Revolution – und beleuchtet, wie nicht biologische Überlegenheit, sondern gemeinsame, “imaginierte Realitäten” die Grundlage für Massenkooperation und Zivilisation bildeten.
3 zentrale Erkenntnisse aus dem Buch
Die Fähigkeit zur Fiktion ermöglichte Massenkooperation. Homo sapiens dominierte die Welt, weil er über Dinge sprechen konnte, die nicht existieren. Diese fiktive Sprache ermöglichte die Schaffung von Mythen, Göttern, Nationen und Konzepten wie Gesetzen oder Limited Liability Companies (Gesellschaften mit beschränkter Haftung). Nur diese “imaginierte Ordnung” erlaubt die flexible Kooperation von Millionen Fremder, eine Fähigkeit, die anderen Spezies wie Schimpansen verwehrt bleibt.
Die Agrarrevolution war “der größte Betrug der Geschichte”. Entgegen der gängigen Vorstellung verbesserte die Agrarrevolution (beginnend vor etwa 12.000 Jahren) das Leben des durchschnittlichen Sapiens nicht, sondern führte zu härterer Arbeit, schlechterer Ernährung und erhöhten Krankheitsrisiken. Vielmehr domestizierte der Weizen den Homo sapiens, da die Menschen gezwungen waren, sesshaft zu werden und sich um die anspruchsvollen Pflanzen zu kümmern. Sie war zwar ein evolutionärer Erfolg (mehr DNA-Kopien), aber eine Katastrophe für das individuelle Wohlbefinden.
Das Eingeständnis der Ignoranz trieb die Wissenschaftliche Revolution an. Der enorme Machtzuwachs der letzten 500 Jahre, der zur Wissenschaftlichen Revolution führte, basierte auf der einzigartigen Einsicht des modernen Zeitalters: Ignoramus – “Wir wissen es nicht”. Dieses Eingeständnis der kollektiven Ignoranz trieb die systematische Suche nach neuem Wissen durch Beobachtung und Mathematik an, welches in einer Rückkopplungsschleife mit Kapitalismus und Imperialismus die Welt transformierte.
Für wen ist das Buch besonders interessant?
Historiker und interdisziplinär Interessierte: Da das Buch die Geschichte von den Grundlagen der Physik über die Biologie bis zur Kultur als eine große Geschichte (Big History) betrachtet, ist es für alle geeignet, die die großen Zusammenhänge der Menschheitsentwicklung verstehen möchten.
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler: Das Werk bietet tiefgreifende Analysen zur Entstehung komplexer Gesellschaften und beleuchtet die Rolle von Geld als universelles Vertrauenssystem und die Funktionsweise von “imaginierten Ordnungen” wie dem Kapitalismus.
Alle, die sich mit der Zukunft der Menschheit beschäftigen: Das Buch schließt mit der Betrachtung, wie Bio- und Cyborg-Engineering Homo sapiens durch “Supermenschen” ersetzen könnten. Es stellt die ethischen Fragen zur genetischen Veränderung unserer Spezies und unserer Wünsche in den Mittelpunkt.
Was Du aus dem Buch mitnehmen kannst
Die Drei Revolutionen und die Entstehung der Fiktion
Die menschliche Geschichte nahm ihren Anfang nicht mit dem Auftauchen des Homo sapiens vor 200.000 Jahren in Ostafrika, sondern erst mit der Kognitiven Revolution vor etwa 70.000 Jahren. Dieser Wandel, wahrscheinlich ausgelöst durch eine genetische Mutation, verlieh Sapiens die einzigartige linguistische Fähigkeit, Fiktionen zu erschaffen. Dank dieser “Gabe des Baumes der Erkenntnis” konnten Sapiens Mythen und gemeinsame Glaubenssysteme weben, was die flexible Kooperation in großen Gruppen ermöglichte, die biologisch nicht für mehr als etwa 150 Individuen vorgesehen waren. Diese Fähigkeit, über Fiktionen zu sprechen, war entscheidend dafür, dass Sapiens andere menschliche Spezies wie die Neandertaler verdrängen und die Welt schnell besiedeln konnte.
Der Betrug der Sesshaftigkeit und die imaginierte Ordnung
Die Agrarrevolution vor 12.000 Jahren – oft als Fortschritt gefeiert – wird im Buch als die “größte Täuschung der Geschichte” entlarvt. Sie führte nicht zu einem besseren Leben, sondern zur Übernahme durch Getreidesorten wie Weizen, wodurch der Mensch in die “Luxusfalle” tappte. In den Jahrtausenden nach dieser Revolution wurde die Zusammenarbeit von Millionen von Menschen nur durch “imaginierte Ordnungen” wie den Kodex von Hammurabi oder die Idee der Limited Liability Company (Kapitalgesellschaft) möglich. Diese inter-subjektiven Realitäten – wie Gesetze, Geld, Imperien und Universalreligionen – vereinten die Menschheit im Laufe der Zeit zu einem einzigen globalen System. Im Gegensatz zu objektiven Phänomenen oder subjektiven Vorstellungen existieren diese Ordnungen nur im gemeinsamen Glauben vieler Individuen.
Die göttliche Zukunft des Sapiens
Die Wissenschaftliche Revolution begann vor 500 Jahren und führte durch das Zusammenspiel mit dem Kapitalismus zu einem exponentiellen Wachstum der Macht des Menschen. Dieser Fortschritt basiert auf der Bereitschaft, Unwissenheit zuzugeben und neue Erkenntnisse durch Beobachtung zu gewinnen. Wir haben begonnen, die Gesetze der natürlichen Selektion zu brechen und sie durch die Gesetze des intelligenten Designs zu ersetzen. Technologien wie Bio- und Cyborg-Engineering könnten bald dazu führen, dass der Homo sapiens durch Supermenschen, die sich fundamental von uns unterscheiden, abgelöst wird. Angesichts dieser gottgleichen Fähigkeiten – der Fähigkeit zur Schöpfung und Zerstörung – lautet die drängendste Frage: Was wollen wir eigentlich wollen, wenn wir in der Lage sind, unsere Wünsche selbst zu manipulieren?
Das Buch in einem Satz
Die Menschheitsgeschichte ist die Erzählung darüber, wie Homo sapiens durch die Erfindung fiktiver Realitäten die Weltherrschaft erlangte und nun, ausgestattet mit gottgleicher Macht, vor der Frage steht, was er eigentlich mit sich selbst anstellen will.
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